Universitätsbibliothek Marburg: Parallelverschieben einer Welle
Architekten (Entwurf Lp 1 - 4)): sinning architekten, Darmstadt
Architekten (Ausführung Lp. 5-9): ARGE Unibibliothek Marburg, sinning architekten / Heinle Wischer und Partner
Tragwerksplanung: Leonhardt, Andrä und Partner, Stuttgart
Standort: Marburg (DE)
Geometrisch ergab dies eine amorph-gekrümmte Freiform für das Dach dieser Passage. Aus Kostengründen wird auf gekrümmte Gläser verzichtet. LAP entwickelte stattdessen ein statisches Konzept auf Basis von Translationsflächen. Dazu legten sie hinreichend mittig eine die Passage durchlaufende Leitlinie fest. Es ist letztlich der mittlere ausgeführte Horizontalträger. Im 3D-Modell wurde dieser seitlich parallel verschoben, dupliziert und diese neuen Tragelemente dann in ihrer Höhenentwicklung entsprechend dem gewünschten Dachverlauf angepasst. Da Parallelverschieben geometrisch eine vektorielle Funktion ist, die entlang einer Schar gleichgerichteter Linien verläuft, konnten in jedem Gitterfeld die flachen Glasscheiben entlang dieser Linien angeordnet werden; da diese Schar eine Fläche beschreibt.
Zwischen den einzelnen, nicht geraden Horizontalträgern entstand so ein Gitter mit unregelmäßig langen Kanten, die auch innerhalb eines einzigen Feldes nicht identisch sind und die zueinander unterschiedliche Winkel aufweisen. Die Glasflächen waren Einzelanfertigungen für jedes Feld, sie haben kaum rechte Winkel und wurden nur selten zueinander parallel montiert.
Angelegt ist die Passage als untemperierter Raum. Lüftungsschlitze im Sockelbereich und im Dach erzeugen einen Kamineffekt mit natürlicher Konvektion, die selbst an heißen Sommertagen überraschend effektiv ist. Im Winter werden diese Klappen geschlossen. Die durch die Passage getrennten Bibliotheksflügel sind auf jeder Ebene durch Brücken miteinander verbunden. Die oberen beiden Übergänge sind allen Nutzern zugänglich, als Teil der intern offenen Bibliothek eingehaust und entsprechend klimatisiert. Die untere Brücke ist exklusiv Mitarbeitern vorbehalten. Sie öffnet sich zur Passage und ist mit Glastüren von der Präsenzbibliothek abgetrennt. Hier war es ein Architektenwunsch, den Raumcharakter der Passage zu erhalten. Wäre auch die unterste Brücke geschlossen, hätte dies einen formalen Riegel geschaffen - eine optische Zäsur der Passage.
Die Architekturaufnahmen wurden im Rahmen eines Fotoseminars an der TH Mittelhessen in Gießen erstellt.